Donnerstag, 25. September 2025

Drohnen abzuschießen verbieten sich eigentlich!


Wie oft ist eine unbekannte Drohne über einen Truppenübungsplatz oder eine Kaserne in Ihrem Zuständigkeitsbereich in Thüringen geflogen, Herr Oberst Glaab?

Eine genaue Zahl kann ich Ihnen nicht sagen. Aber die Sichtung von Drohnen über Übungsplätzen und Kasernen hat deutlich zugenommen. Das treibt uns um. In den meisten Fällen können wir nicht zuordnen, ob es Drohnen von Privatpersonen sind oder ob es sich um Spionage handelt.

Können Sie die Drohnen abschießen?

Grundsätzlich können wir das in militärischen Sicherheitsbereichen, wenn Gefahr im Verzug ist. Aber in der Praxis ist es schwierig. Wir bekommen teilweise nicht mit, wenn wir überflogen werden, denn viele Flüge finden in der Nacht und in großer Höhe statt. Sie können eine Drohne in mehreren Hundert Metern Höhe mit einem Flugzeug verwechseln, weil sie keine Geräusche erzeugt. Und eine Drohne kann schnell wieder weg sein. Es ist deshalb anspruchsvoll, in kurzer Zeit die richtige Maßnahme zu treffen. Alles, was über unseren Kasernen stattfindet, detektieren wir und melden es den Landespolizeibehörden.

Sie könnten sagen: Eine Drohne hat über einer Kaserne nichts zu suchen, also schießen wir sie ab. Fehlt es Ihnen dafür an den technischen Möglichkeiten oder an der Zuständigkeit?

Wenn wir das richtige Abwehrmodul haben, können wir eine Drohne herunterholen. Kürzlich hatten wir auf einem Truppenübungsplatz eine neue Wurffangdrohne. Da wird ein Netz ausgebracht, das sich um die gegnerische Drohne herumlegt und sie so zum Absturz bringt. Es geht bei der Abwehr von Drohnen aber immer darum, die Verhältnismäßigkeit zu wahren. In die Luft zu schießen, verbietet sich im Grunde genommen, weil Projektile oder Teile davon außerhalb der Kaserne einschlagen können. Dann könnten Menschen gefährdet oder Dinge zerstört werden. In rechtlicher Hinsicht gibt es jetzt eine Gesetzesinitiative im Bundestag, damit unsere Feldjäger auch außerhalb von Kasernen die Möglichkeit haben, Menschen zu überprüfen, die Drohnen steuern, und sie gegebenenfalls der Polizei zu übergeben.

Geht es bei Drohnenüberflügen um Ausspähung? Oder soll vor allem Verunsicherung erzeugt werden?

Wir müssen davon ausgehen, dass ausgespäht werden soll, was an militärischem Material vorhanden ist. Aber viel mehr als die Bundeswehr ist unsere gesamte kritische Infrastruktur von Drohnenüberflügen betroffen. Da geht es darum, Objekte im Energiebereich, der Fernmeldetechnologie, der Wasserversorgung oder Verkehrsknotenpunkte auszuspähen. Was die Bundeswehr an Material besitzt, ist weitgehend bekannt. Deshalb geht es hier auch stark um Verunsicherung. Ziel ist es, das Vertrauen in den Staat, in die Funktionsfähigkeit der staatlichen Organe zu erschüttern. Ist dieser Zweifel gesät, ist es für einen hybriden Angreifer leichter, seine eigene Erzählung erfolgreich zu verbreiten und die gegnerische Gesellschaft zu spalten.

Kürzlich hat die „New York Times“ berichtet, dass Russland Routen in Ostdeutschland ausspioniert, die für die Lieferung von Militärgütern an die Ukrai­ne genutzt werden.

Wir wissen, dass es diese Spionageversuche gibt. Was wir genau wissen, dazu werde ich an dieser Stelle nichts ausführen. Nur so viel: Diese Art von Spionage findet flächendeckend statt.

Hat Russland unsere kritische Infrastruktur in den vergangenen zehn, zwanzig Jahren flächendeckend ausgeforscht?

So viel steht fest: Mit den Möglichkeiten, die wir heute in unserer digitalisierten Lebenswelt haben, kann man mithilfe öffentlich verfügbarer KI-Technologien eine kritische Infrastruktur komplett kartieren. Wir leben in einer offenen, transparenten Gesellschaft. Das wollen wir auch so. Es gibt aber einen Preis, den wir dafür zahlen. Sie können sich ohne Probleme, weil es über Open Data verfügbar ist, Umspannwerke anschauen oder große Stromtrassen. Und wenn jemand die Stromversorgung sabotieren will, ist das nicht so schwer. Der jüngste Anschlag in Berlin-Köpenick auf zwei Strommasten hatte zur Folge, dass Menschen bis zu 48 Stunden keinen Strom hatten. Für eine solche Sabotage brauchen Sie keine Drohne, da genügt ein Feuer bei Nacht. Wir können unser Land nicht vollkommen vor solchen Gefahren schützen. Als offene Gesellschaft bleibt immer eine Verwundbarkeit.

Drohnen sind nur ein Teil der hybriden Bedrohungen. Wie sehr ist die Bundeswehr darüber hinaus von Spionage betroffen?

Spionage ist ein Thema, mit dem wir uns als Bundeswehr ständig auseinandersetzen. Die Bundeswehr wird täglich tausendfach durch Cyberattacken angegriffen von gegnerischen Kräften und auch Staaten, die versuchen, unsere Systeme zu stören und auch ganz zu zerstören. Zum Glück sind wir bisher gut dagegen gewappnet. Spionage heißt für uns aber auch, dass ausländische Organisationen versuchen, an Menschen in der Bundeswehr heranzukommen und so geheime Informationen zu beschaffen. Da geht es um Besonderheiten von Waffensystemen, um Abläufe, Einsatzpläne und vieles mehr. Für mich ist das eine Wiederkehr der Erfahrung, die ich 1988 als wehrpflichtiger Soldat in der alten Bundesrepublik machte. Wir wurden ausgebildet, die Fahrzeuge der sowjetischen Seite zu melden. „Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit“, hieß es damals. Dass ich heute in meinem 38. Dienstjahr wieder in einer Situation bin, wo wir genauso aufmerksam sein müssen, ist bedauerlich, aber notwendig.

Wie schätzen Sie die Bedrohung durch Russland für die EU und für Deutschland durch hybride Angriffe ein?

Ich bewerte die hybride Bedrohung als sehr hoch. Unsere gesamte kritische In­frastruktur kann ohne einen Panzer, ohne ein Flugzeug, ohne ein Schiff angegriffen werden. Und wer hier einen Anschlag auf ein Stromnetz, eine Bahnlinie oder eine Brücke ausführen will, den erkennen wir ja nicht an einer russischen Uniform. Wir müssen davon ausgehen, dass es, wenn sich Krisen zuspitzen, noch mehr Angriffe auf unsere Infrastruktur geben wird. Wir stehen deshalb als Staat und als Gesellschaft vor der ­Herausforderung, auf unterschiedliche Situationen wehrhaft und resilient zu ­reagieren.

Gehen Sie davon aus, dass Russland nicht nur mit Verletzungen des Luftraums, sondern auch mit militärischen Angriffen, etwa im Baltikum, testen wird, ob die NATO den Artikel 5, also den Beistand aller Mitglieder, wirklich anwendet?

Russland besitzt diese Möglichkeit. Und wir bereiten uns gemeinsam mit unseren Verbündeten täglich darauf vor. Der Ansatz der NATO ist unverändert: Das Abschreckungspotential muss so hoch sein, dass Russland es vermeidet, einen solchen Angriff zu starten. Die NATO und damit auch die Bundeswehr müssen dafür so gut ausgebildet und ausgerüstet sein, dass sie in der Lage sind, einen Verteidigungskrieg in Europa zu führen. Das ist notwendig, weil wir mit Russland einen Aggressor in Europa haben, und das schon seit 2014. Denn die völkerrechtswidrige Annexion der Krim ist die eigentliche Zeitenwende gewesen. Das wird heute in vielen Diskussionen vergessen.

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